Matthias Jung


 

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Zeitsprung - Gemeinde 2030

 

 

Humor und Kirche II 
Predigt am 8. Februar 2004 bei der Vorstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die Presbyteriumswahl

 

Liebe Gemeinde, kennen Sie den:

Ein Pastor und ein Omnibusfahrer werden im Himmel beurteilt. Der Pastor ist darüber erschrocken, dass ihm der Zutritt zum Himmel verwehrt wird, während der Busfahrer ohne Probleme geöffnete Türen vorfindet. – Der Pastor beschwert sich und bekommt zur Antwort: "Wenn der Busfahrer gefahren ist, haben die Leute gebetet. Aber wenn Du gepredigt hast, haben sie geschlafen!"

Humor hat es zu tun mit den Widersprüchlichkeiten unseres Lebens. Von daher ist er auch in der Kirche angebracht. Wir sind Menschen, ob Gemeinde, ob Pfarrer. Wir leben vom ewigen und vollkommenen Gott her, sollen ihn auch hier auf der Erde repräsentieren – und sind doch Menschen, unvollkommen und fehlerhaft. Das ist nicht einfach, und oft widersprüchlich. Da entsteht Reibung. Und dann entstehen schnell Witze, in denen sich die Spannung für einen Moment löst.:

Ein evangelischer und ein katholischer Pfarrer streiten sich darüber wann das Leben anfängt. Der eine meint, das Leben beginnt bereits bei der Zeugung der andere behauptet das Leben beginnt erst bei der Geburt. Da sie nicht so recht weiterwissen schlägt einer der beiden Pfarrer vor: Wir fragen die alte Frau dort auf der Parkbank um Rat! Gesagt - getan! Die alte Frau hat auch sofort die passende Antwort parat: Ihr wollt wissen wann das Leben anfängt? Das Leben fängt an sobald die Kinder aus dem Haus sind und der Alte unter der Erde ist! 

Ein Witz über die Pfarrer. Witz über evangelische und katholische Pfarrer. Weltfremd und weit weg von der Wirklichkeit, so die Aussage. Die alte Dame ist da viel näher am Leben dran. Sie interessiert nicht die akademische Streiterei, sie ist handfest am wirklichen Leben interessiert. Der Witz wirft die Frage auf: seid ihr Pfarrer mit euren Gedanken, eurer Verkündigung, eurer Seelsorge wirklich nah dran an unserem Leben? 

Lachen kritisiert auf feine und erlaubte Art und Weise, z.B. Pfarrer und Predigt.

Ein fleißiger Kirchgänger nach dem sonntäglichen Gottesdienst: "Eine schöne Predigt war das. Heute hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass er mich nicht persönlich meint!" 

Pfarrer lernen in der Ausbildung, möglichst persönlich zu predigen, den Menschen mit ihren Worten nahe zu kommen, sie da abzuholen, wo sie stehen. In diesem Witz wird deutlich, dass mann und frau es damit aber auch übertreiben können. Es ist der Hinweis an uns Predigerinnen und Prediger, dass manchmal ein Umweg eher zum Ziel führt. Immer nur persönlich, dass kann auch zur Abwehr führen. Auf einen Satz zusammengefasst lautet die Botschaft dieses Witzes: Pfarrer, komm mir doch nicht immer so nahe mit deiner Predigt! 

Witze haben es oft aber auch mit der Rivalität unter Menschen zu tun. Wir wollen gerne besser sein als die anderen. Aber es ist oft nicht erlaubt oder angesagt, offen solche Gefühle und Gedanken zu äußern. Da hilft der Witz, er spricht die Konkurrenz verborgen an. 

Drei Gemeindeamtsleiter unterhalten sich, wer denn wohl den liberalsten Pastor in der Gemeinde hat. Munter prahlt der erste drauflos: "Unser Pastor bietet Tanzkurse um den Altar an!" Der zweite: "Das ist doch gar nichts! Unser isst am Karfreitag vor der ganzen Gemeinde ein Steak!" Darauf meint der dritte nur: "Vergesst das alles! Unser Pastor hängt an Weihnachten ein Schild an die Kirchentür: Wegen der Feiertage geschlossen!" 

Das ist grotesk und überzogen, sicher. Ich denke aber, dass sich hier ein Unbehagen ausspricht, ein Unbehagen über Pfarrerinnen und Pfarrer, die auf jeder neuen Welle mitschwimmen wollen, weil sie meinen, nur so angesagt und bei den Gläubigen zu sein. Die neueste Studie zur "Kirchenmitgliedschaft" macht aber deutlich, dass die Kirchenmitglieder daran gar nicht so interessiert sind, sondern eher die traditionellen Formen der "Betreuung" wünschen. Spricht sich darin die Sehnsucht aus, in einer Welt in der sich alles in rasendem Tempo ändert, einige konstante Punkte zu haben? Natürlich muss sich Kirche immer fragen wie ihre Verkündigung aktuell bleibt, aber so ein Witz wirft doch die Frage auf, ob es Sinn macht, dabei zu schnell altvertrautes über Bord zu werfen. 

Gelegentlich bekommt auch das Presbyterium im Humor sein Fett ab. Wir haben ja heute die Kandidatinnen und Kandidaten für die Wahl bei uns zu Gast. Deshalb für Sie besonders dieser schöne Witz – wobei ich gleich sage, bei uns geht es natürlich nicht so zu: 

Das Presbyterium einer Gemeinde berät über die Frage, ob bei einer Überschwemmung auch sonntags Rettungsarbeiten getan werden dürfen. Einige Presbyter sind dagegen, andere dafür. Der Pfarrer weist darauf hin, dass auch Christus am Sabbat geheilt habe, Antwortet ein alter Presbyter: "Herr Pfarrer, das wollte ich schon immer einmal fragen: War der Herr Jesus nicht in manchen Punkten zu liberal?" 

Witze beschäftigen sich mit den Widersprüchlichkeiten unseres Lebens. Dazu gehört natürlich auch die Tatsache, dass die Kirche Armut predigt, aber selbst reich ist. Viele Witze kreisen um dieses Thema. Zum Beispiel dieser: 

Nachdem nun der Euro eingeführt worden ist, kommen eines alle Münzen und Scheine in den Himmel und Petrus entscheidet, wer hinein darf und wer nicht. Er winkt die Pfennige und Markstücke rein. Auch die Zwei- und Fünfmarkstücke dürfen hinein. Sogar die Zehnernoten. Auch ein paar Zwanzigernoten sind dabei. Plötzlich sieht er aber die Fünfziger und Hunderternoten heranströmen und macht eine abwehrende Geste: "Halt, halt. Ihr wart euer Leben lang nie in der Kirche, ihr kommt hier nicht hinein!" 

Auf charmante Weise kritisiert der Witz die Gläubigen und ihre Bereitschaft, zur Kollekte beizutragen. Auf böse Weise kann der Umgang mit Geld auch angesprochen werden: 

Zwei Pfarrer unterhalten sich über die Kollekte. Der erste meint: "Ich nehme mir immer die Scheine raus, das Kleingeld bekommt der Herr." Sagt der zweite: "Also ich mache das anders, ich nehme die ganze Kollekte, werfe sie hoch und sage: 'Nimm, Herr, was Du brauchst.' Und was wieder herunterfällt, gehört mir." 

Natürlich, dieser Witz hat nichts mit der "Realität" zu tun, Pfarrer haben nicht die Verteilungsgewalt über die Kollekte. Aber die Botschaft zündet dennoch, es spricht sich der Vorwurf aus, Pfarrer gingen auf egoistische Weise mit dem ihnen anvertrauten Geld um. Dieser Witz warnt uns dabei zugleich davor, die Witze zu wörtlich zu nehmen.  

Aber Witze sind nicht nur witzig, sie wollen nicht nur zum gesunden Lachen über die menschlichen Widersprüchlichkeiten und Unzulänglichkeiten einladen. Sie greifen auch ernste Themen auf und manchmal gelingt wahrlich erlösendes Lachen in scheinbar ausweglosen Situationen. 

Von Pater Alfred Delp, der ein Opfer der Nazis wurde, erzählt man folgendes. Er machte auf dem Gang zur Hinrichtung in der besten Tradition des christlichen Märtyrertums einen Scherz: Er fragte den ihn begleitenden Pfarrer nach den letzten Neuigkeiten von der Front und sagte dann: "In einer halben Stunde weiß ich mehr als Sie". Da bleibt einem ob der ernsten Situation das Lachen im Hals stecken. Und dann begreift man. Und dann folgt kein lautes Lachen, aber vielleicht ein nachdenkliches Lächeln. Hier sprengt der Glaube, das unverbrüchliche Vertrauen in die Liebe und Nähe Gottes die Nähe des Todes und die Fesseln dieser Welt. Gott siegt über den Tod und der Glaube mit ihm. Im Mittelalter gab es aus dieser Überlegung heraus die Sitte, am Ostersonntag in der Kirche die unglaublichsten Scherze zu machen, um die Gemeinde zum Lachen zu bringen. Die Botschaft der Auferstehung einmal anders. Wer Gott auf seiner Seite weiß, hat auch angesichts des Todes noch etwas zu lachen.  

Amen.